Erfrischung – Silvretta, Grappa und ein Dolomiti

Der Sommer ist da. Zeit für eine Erfrischung! Doch was soll ich bestellen? Ein Dolomiti? Einen Grappa? Oder ein Glas Silvretta? Ja, ich hätte gerne eine Silvretta, bitte! Silvretta – Ein Name, der in meinen Ohren klingt wie eine Limonadenmarke. Kühl, süß, erfrischend. Ist aber eine Gebirgsgruppe in den zentralen Ostalpen, in der viele Berggipfel mit einer Höhe von mehr als 3000 Metern liegen. Die ursprünglich für den Werksverkehr zum oben gelegenen Stausee angelegte Silvretta Hochalpenstrasse überwindet auf ihrer Westrampe 700 Höhenmeter mit 25 Kehren auf neun Kilometern Strecke innerhalb von nur drei Kilometern Luftlinie. Dieses ist ein wunderbarer Einstieg in eine kurvige Woche.

Ein Woche lang werde ich mich auf dieser Route erfrischen, und neben Silvretta wird es auch Grappa und Dolomiti geben:

Montag 13.6.2022:
M. und ich verlassen gemeinsam das Haus. Aber während sie ins Büro fährt, nehme ich eine Woche Auszeit von der Lohnarbeit. In südöstlicher Richtung strebe ich über die Schwäbische Alb am Bodensee vorbei auf die Alpen zu.

Ich befahre den Pfänder. Hier oben genieße ich einen wunderschönen Blick auf den Bodensee.

Aussichtspunkt Fluh

Weiter südlich biege ich links ab Richtung Furkajoch. Hier oben hängen die Wolken fest, sie drängen ebenso bergauf wie ich. Über das Faschinajoch komme ich ins Montafon. Auch so ein komischer Name. Klingt wie ein Berg mit Fernsprecher.

Bei Partenen entrichte ich die Maut, die für die Befahrung der Silvretta fällig ist. Die Investitionen lohnt sich: Asphalt, Kurven, Aussicht…alles gut in Schuss! Oben am Silvrettastausee gibt es eine Aussichtsplattform, von der aus man einen Berg bestaunen kann, der nach einer Sonnenmilch aus den 80er Jahren benannt ist: Piz Buin. Einzig die Sommerhitze fehlt: Hier oben sind grade mal 13 Grad.

Nach einem kurzen Abstecher zum Kopssee komme durch Maut, Galtür, und Ischgl im Paznauntal. Im Winter ist das hier ein Ski- und Lawinenparadies.

Dienstag, 14.6.
Nach einer erholsamen Nacht in Kappl steuere ich das Timmelsjoch an und komme dabei durch Landeck, das Pitztal und das Ötztal. Ich erreiche Südtirol und dann die Dolomiten.

Als Kind habe ich eigentlich ganz gerne ein Dolomiti gegessen. Ich habe mir damals wenig Gedanken über die Form dieses Eis am Stiel gemacht. Heute weiß ich: Die Form soll einen Berg mit drei Gipfeln und entsprechend die Drei Zinnen in den italienischen Dolomiten (italienisch Dolomiti) darstellen. Auf meiner Tour werde ich allerdings das Herz der Dolomiten rund um Cortina d´Ampezzo umfahren und nur in den Ausläufern unterwegs sein. Denn in der Hochsaison ist es mir in den „Dolos“ zu voll. Ich habe keine Lust auf Alpenpolonäse und Strafzettel. Allerdings bleibt die Frage: Wo kann ich hier eigentlich so ein Eis kaufen? In Ermangelung eines Dolomiti bestelle ich einen Erdbeerbecher.

Auf dem Weg nach Süden füge ich noch zwei Punkte meiner Sammlung der steilsten Straßen hinzu: Ein 40% Gefälle in Grauno und eine unbefestigte Straße mit 30% bei Jenesien.

Die eigentliche steile Straße ist allerdings im Ort

In Levico Terme übernachte ich in einem Hotel mit Dachterrasse, einem super reichhaltigen Frühstück und einer Motorradgarage, die man im Zimmer über Kanal 851 im Fernsehen ansehen kann. So kann ich mit Blick auf mein Motorrad einschlafen.

Mittwoch, 15.6.
Lang ist die Kaiserjägerstraße nicht, doch danach ist man garantiert hellwach.

Zeit für nen Grappa! Die bekannte alkoholische Spezalität ist nach dem Monte Grappa benannt, einem 1775 m hohen Bergmassiv in den venezianischen Voralpen in Norditalien. Grappa sollte in einer der acht Regionen Italiens hergestellt werden, die ich auch durchfahre. Die Gegend ist einfach beeindruckend. Steil fallen die Klippen ab. Unten verschwindet die Ebene im Dunst. Die Malga Sasso Rosso bietet, unbekannt für die große Masse an Touristen und für viele Wanderer, einen spektakulären Ausblick.

Malga Sasso Rosso

Auf dem Weg wieder hinauf zum Monte Grappa sehe ich den Paraglidern zu. Oben befindet sich der monumentale Militärfriedhof, auf dem fast 23000 Soldaten ihre letzte Ruhe fanden. Solche Mahnmale sollten ja eigentlich auf die Grausamkeit und Sinnlosigkeit von Kriegen aufmerksam machen. Leider hat offenbar nicht jeder Diktator auf der Welt eine solche Gedenkstätte besucht, oder vielleicht auch nur nichts daraus gelernt.

Winke Winke

Der Himmel zieht sich zu. Ein Gewitter kündigt sich an. Dann bricht es los. Eine Bushaltestelle schützt mich vor den Hagelkörnern. Die nasse Straße in Verbindung mit Asphalt äußerst geringer Mikrorauhigkeit verdirbt aber den Fahrspaß. In Belluno kehre ich ein.

Donnerstag, 16.6.
Es geht kreuz und quer durchs Friaul und wieder nordwärts über den Passo Rest Richtung Lago Di Sauris.

Lago Di Barcis

Über den Passo Della Forcella rumple ich ostwärts auf den Monte Zoncolan zu. Oben scheint ein Motorradfahrertreffen zu sein. Dabei ist dieser Berg eigentlich eher in Rennradfahrerkreisen eine Legende. Auf dem Weg nach oben sind in jeder Kehre Fotos von top gedopten Radrennfahrern aufgestellt, von Pantani über Hinault bis Mercks. Auf den Bildern lachen alle. Die Radfahrer, die ich sehe, schauen im Gegensatz dazu ziemlich gequält aus, wenn sie den Berg hochstrampeln.

Freitag 17.6.
Nach einer erholsamen Nacht starte ich wieder nordwärts und überquere den Passo Polentin und frühstücke auf der Stranigalm einen Kaiserschmarren.

Und da wir schon beim Essen sind, fahre ich später eine weitere Bergalm auf unbefestigtem Wege an: Das Alpengasthaus Glocknerblick liegt auf 2050m Höhe und bietet einen wunderschönen, erfrischenden Ausblick auf seinen 3798m hohen Namensgeber.

Parkplatz am Alpengasthaus Glocknerblick

Dann mache ich den Fehler, die Großglockner Hochalpenstrasse zu befahren. 28 Euro nimmt mir der lustige Mann an der Mautstelle ab. Ich frage ihn, ob bei dem Preis auch ein warmes Mittagessen inbegriffen ist? Er lacht nur und gibt mir einen zweiten Aufkleber. Oben am Berg hat sich heute halb Europa getroffen zum Anfängerkurs „Anfahren am Berg“. Dort hinten schmilzt der Restgletscher vor sich hin. Viel ist nicht mehr übrig. Wenn der ganz weg ist, gibt es überhaupt keinen Grund mehr, hier lang zu fahren.

Der traurige Rest

Auf dem weiteren Weg nach Hause mache ich noch einen Abstecher zur Bürglhütte. Die Hütte liegt am Ende eines Tals, nur ein schmaler Schotterweg führt hierher. Die Hütte ist so groß, eine komplette Busladung könnte hier ausgeladen und verpflegt werden. Nur dass auf dieser Zuwegung kein Bus herfahren kann. So bleiben die erfrischende Natur und das einmalige Panorama erhalten.

Bürglhütte

Samstag, 18.6.
Nach einer geruhsamen Nacht in Hopfgarten geht es am Achensee und Sylvensteinsee vorbei durch die Wildflusslandschaft Isartal. Hier ist mal wieder eine Gebühr für die Nutzung der Straße fällig. Die bayerischen Staatsforsten wollen nur 5 Euro von mir.

Später komme ich doch noch zu einer Erfrischung: Im Oilers69 hole ich mein Mittagessen nach, für das ich auf dem Weg Richtung Süden zu früh dran war. Dann genieße ich eine sozialverträgliche Fahrt über das Hahntennjoch, den Hochtannbergpass und den Bregenzer Wald, bevor ich auf die Zielgerade nach Stuttgart einbiege. Die Temperaturen klettern bis auf 36 Grad. Wenn mein Kopf ein Teekessel wäre, dann würde ich jetzt pfeifen. Ich brauche unbedingt bald wieder eine Erfrischung!

Veröffentlicht von MoTranshumance

Born to Ride - Forced to Work

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