Frühjahrsputz – Weg mit dem Blütenstaub

Die erste Tour des Jahres war leider nur ein zu kurz geratener Wochenendausflug. Vier Wochen war ich wegen Corona ziemlich außer Betrieb. Es wird Zeit, den Motorradtourbetrieb wieder aufzunehmen. Die neue Alte hat schon Blütenstaub angesetzt.

Es ist Freitag, ich habe mir frei genommen und der Plan ist, durch den Schwarzwald und durchs Jura zu gondeln, dann über die Vogesen zurück. Drei Tage soll der Frühjahrsputz dauern. Und hier soll es lang gehen:

Freitag: Nach einer kurzen Autobahnetappe biege ich bei Oberndorf in den Schwarzwald ein. Hier finden sich grüne Wiesen, gelbe Felder und schwarzer Wald. Auch Wind wird hier geerntet. Später bei der Fahrt durch das schöne Wehratal fühle ich mich stark an französische Gorges erinnert, wo neben einem mehr oder weniger breiten Flusslauf eine Straße parallel zum Wasserlauf ins Tal gebaut wurde.

Bei Rheinfelden erreiche ich den Rhein, der die Schweiz und Deutschland trennt. An der Brücke über den Rhein, die beide Teile der Stadt verbindet, ist für motorisierten Verkehr kein Durchkommen.

Ich will raus über den Rhein

Ich folge einer meiner Lieblingsrouten für den Alpentransit. Ich weiß, viele Leute finden, dass man die Schweiz ohne Autobahn und der entsprechend nötigen Vignette nicht durchfahren kann. Ich weiß aber auch, wo sich eine Fahrt durch die Schweiz ohne Autobahn besonders lohnt. Wer also wissen will, auf welchen Wegen man ohne Vignette die Schweiz durchqueren will, der schaue mal hier: Alpentransit. (Als gpx hier runterladen und einfach in Garmin Basecamp in eine Liste importieren)

Am Alpenblick Passwang ist die Aussicht auf die Alpen von Dunst verdeckt. Schade. Ich quatsche kurz mit zwei Mitarbeitern einer holländischen Motorradzeitschrift, die eine Reportage über die Vorzüge der schicken Kawasaki Straßenrennsportgeräte auf Bergstraßen schreiben sollen. Wenn ich auch so eine Maschine nicht haben wollte, so beneide ich die zwei doch um das Privileg, die holländischen Berge verlassen und mit Motorradreisen Geld verdienen zu können.

Über den Scheltenpass und Grenchen / Montoz geht es Richtung Chasseral. Von hier oben ist die eigentlich sensationelle Aussicht auch dunstgetrübt. Bei weniger Dunst springt einen hier der Montblanc förmlich an.

Diese Bergkette zwischen Doubs und Bieler und Neuburger See finde ich wunderschön. Man kann die Serpentinen wie den Albaufstieg immer rauf und runter fahren. Doch hier ist die Aussicht anders, immer wieder wird man vom Seeblick auf den Lac De Neuchâtel abgelenkt.

Aussicht am Chasseral

Gegen 19:30 komme ich im Hotel in Pontarlier an. Hier ist nix los. Auf dem Parkplatz, der sonst aus allen Nähten platzt, stehen grade mal 4 Autos und 3 Motorräder (meins eingeschlossen). Gegenüber gibt es neuerdings eine Filiale von Dafy Moto. Da werde ich morgen früh mal nach dem Rechten sehen.

Samstag: Nach kurzer Stippvisite im Dafy heißt es, Pferde satteln und nach Norden reiten. Ich habe mir schmale Straßen und Wege rausgesucht, auf denen ich zu den Vogesen und dort über Stock und Stein galoppiere.

Im Laufe des Tages werde ich leider immer wieder auf meiner geplanten Route gestoppt, denn heute und morgen findet hier eine große Triathlon Veranstaltung statt. Ich mache aus der Not eine Tugend: Als ich aus einem Waldstück auf die Straße fahre, sitzen überall rechts und links des Weges Zuschauer, die wie bei der Tour de France auf den Tross der Radfahrer warten. Ich muss direkt vor dem Pulk hier auf die Straße gefahren sein. Freundlich winke ich den begeisterten Radsportverrückten zu. Die freuen sich, denn sie halten mich für die Vorhut oder Streckenkontrolle, also müssen ja gleich die Radler kommen!

Schlechter Asphalt

Später an der Carrefour Automatentankstelle darf ich einem älteren Pärchen auf einer älteren Moto Guzzi helfen, die völlig abgerockte Tankanlage zu bedienen. Der Kartenleser ist ziemlich schmutzig und die Sonne brennt aufs Display der Zapfsäule. So ist das einfache „EC Karte einführen, Deutsch als Sprache wählen, PIN eingeben, Tanken, Beleg entnehmen“ in der Praxis doch nicht so einfach. Denn obwohl Deutsch als Sprache gewählt wurde, spricht das Gerät nur französisch.

In Saint Dié Des Vosges habe ich mir ein hübsches Zimmer reserviert, direkt am Fluss, neben der Fußgängerzone. Die ist so voll als hätte es nie eine Pandemie gegeben. Überhaupt sind Masken hier jetzt vollständig aus der Mode gekommen. Man trägt jetzt kurze Hosen, Sommerkleidchen und Weingläser.

Sonntag: Ich nehme nach einer erholsamen Nacht noch einen Kaffee in der Bar des Hotels Bar Le Globe und mache mich auf den Weg. Kreuz und quer geht es durch die Vogesen, über den Col De Fauchy, Col Du Steige Richtung Canal De La Marne Au Rhin. Der 1853 eröffnete Kanal ist eine technische Meisterleistung vom Allerfeinsten. Heute eine touristische Attraktion für Radfahrer und Leute, die den Kanal mit dem Ausflugsschiff oder dem Motorboot bereisen. Das ist auch eine schöne Urlaubsidee: Ein Boot leihen und den Kanal befahren, vielleicht machen wir das mal. Bis 1979 war der Kanal mit 315 Kilometern der längste Kanal Frankreichs. 1969 wurde das Schrägschiffshebewerk Arzviller in Betrieb genommen, es hat 17 Schleusen ersetzt. Auch die Fahrt auf dem Kanal durch den fast 5km langen Tunnel (!) muss ein Erlebnis sein!

Beim Befahren des Tunnels bitte Kopf einziehen!

Die Verpflegung in der Mittagspause kommt heute aus dem bewährten Pizzaautomaten. Die Schachtel kommt ins Topcase aka Pizzabox, auf zur nächsten Sitzbank mit Aussicht!

Zabern bzw. Saverne ist der Schauplatz einer innenpolitischen Krise, die sich Ende 1913 im Deutschen Kaiserreich ereignete. Anlass waren Proteste im elsässischen Zabern, dem Standort zweier Bataillone des preußischen Infanterie-Regiments 99, nachdem ein Leutnant die elsässische Bevölkerung als „Wackes“ beleidigt hatte. Das Militär reagierte auf die Proteste mit rechtlich nicht gedeckten Willkürakten. Die Affäre hatte weitreichende Folgen wie das erste Missbilligungsvotum in der deutschen Geschichte gegen einen Reichskanzler und einen erheblichen Ansehensverlust des Kaisers. Heinrich Mann verarbeitete die Zabern-Affäre in seinem Roman Der Untertan. In Anlehnung an das Verhalten des Militärs fand der Begriff „zabernism“ als Bezeichnung für den Missbrauch militärischer Gewalt oder für tyrannisches, aggressives Verhalten im Allgemeinen Eingang in die englische Sprache. Heute sitzen auf dem Marktplatz von Zabern deutsche Touristen und Einheimische in trauter Eintracht. Zabernism findet heute weiter östlich statt.

Nahe Pontarlier bin aus der Schweiz nach Frankreich gekommen. Bei Schweix komme ich aus Frankreich wieder nach Deutschland. Nun geht es durch die Pfalz Richtung Karlsruhe und hier auf die Autobahn.

Ich bin losgefahren, um den Blütenstaub vom Motorrad zu pusten. Unterwegs im Schwarzwald habe ich Gegenden gefunden, die aussehen wie in Frankreich. In der Schweiz habe ich Landschaften gefunden, die wie Italien aussehen. Und in Frankreich sah es mancherorts aus wie in Kanada. Insofern war diese Reise lohnenswerter als erwartet. Doch als ich nach Hause komme, sieht das Motorrad noch dreckiger aus als zu dem Zeitpunkt, als ich losgefahren bin. Da muss ich wohl nochmal los!

Veröffentlicht von MoTranshumance

Born to Ride - Forced to Work

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