Herbstwind – Grenzbereiche auf 2 Rädern

Oktober 2020. Es ist Herbst geworden. Die Tage werden jetzt deutlich kürzer, doch wegen Corona werden die Nächte nicht länger. Bevor die Winterzeit Einzug hält, wollen wir noch eine Ausfahrt machen und in Grenzbereiche vorstoßen, die vor 30 Jahren noch unüberwindbar waren.

Wir starten am letzten Wochenende im Oktober. Von Waldenburg geht es quer durch Bayern in Richtung Dreiländereck. Bis 1918 verlief hier die Grenze zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich; gleichzeitig trafen sich dort die Landesgrenzen von Bayern, Böhmen und Sachsen. Später begann hier die fast 1400 km lange innerdeutsche Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.

Doch zunächst bewegen wir uns in nörd-östlicher Richtung durch Bayern. Ist am Vormittag das Wetter noch kühl und trocken, fängt es am späteren Nachmittag zu regnen an. Es ist die Art von Regen, die in kleinen Tröpfchen trist und grau die Welt beherrscht, sich dabei sanft, aber beharrlich in alle noch so kleinen Öffnungen der Kleidung vorarbeitet und die Sicht behindert. Schon um 18:00 Uhr ist es so dunkel, dass wir das letzte Stück nach Plauen auf der Autobahn zurücklegen. Um 19:15 erreichen wir unsere Unterkunft. Im Schloßrestaurant sind wir die einzigen Gäste, denn die Küche schließt in 15 Minuten. Uns wird von der netten Bedienung der Sauerbraten oder Lammhaxe mit Rotkraut und Klößen empohlen – eine gute Wahl!

Samstag: Das Frühstück wird im großen und kaum besetzten Frühstücksraum serviert. Es gibt alles, was ein Frühstück in dieser Gegend bieten muß, sogar Erdbeermarmelade, die nach Kirsche schmeckt.

Das erste Ziel heute ist der Stausee Pöhl, der im gleißenden Sonnenlicht vor uns liegt. Die Talsperre ist eine Errungenschaft des Sozialismus, die in den Jahren 1959-1964 errichtet wurde und der Deutschen Demokratischen Republik zum 15. Jahrestag ihrer Bestimmung übergeben wurde. Dank den Erbauern!

Am schon erwähnten Dreiländereck beginnt eine weitere Errungenschaft des Sozialismus: Der 1952 angelegte, bis zu 500 m breite „Schutzstreifen“ entlang der innerdeutschen Grenze. Über die gesamte Grenzlänge wurde eine 5 km breite Sperrzone eingerichtet, um die steigenden Flüchtlingszahlen einzudämmen. Der Grenzstreifen wurde gerodet und streng überwacht. Nur mit Sondergenehmigung und mit einem Stempel im Personalausweis wurde der Grenzübertritt gestattet. Der Geländestreifen entlang der ehemaligen Innerdeutschen Grenze wird heute als das „Grüne Band“ Deutschlands als Wanderweg beworben.

Am Dreiländereck

Die deutsch-deutsche Grenze verlief auch mitten durch Mödlareuth, einem kleinen Dorf am Ende der Welt. Mit Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gehörte der Ostteil Mödlareuths zum Territorium der DDR, der Westteil zu dem der Bundesrepublik. Damit waren beide Teile Mödlareuths nicht nur Bestandteil zweier verschiedener Staaten, sondern auch unterschiedlicher politischer, militärischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme. Das Dorf wurde so ebenso wie Berlin zum Symbol der deutschen Teilung. Hier gab es zwar auch eine Mauer, aber keinen Checkpoint. Teile der Grenzbefestigungsanlagen mit der 700m langen Betonsperrmauer, dem Metallgitterzaun sowie dem Beobachtungsturm existieren im Original bis heute – im Grenzmusem Mödlareuth.

Der Dreifreistaatenstein markiert den Schnittpunkt der drei Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen.

Dreistaatenstein

Bei Pottiga besteigen wir den Skywalk. Heute schaut man von hier oben auf das Saaletal. Dieser grandiose Ausblick blieb den Einwohnern während der Teilung Deutschlands wegen der Grenzbefestigungsanlagen verwehrt.

Wir orientieren uns weiter am Grenzverlauf und kommen hier und da auf den Kolonnenweg, auf dem früher die Grenzsoldaten den Sperrgürtel abfuhren. Im Winter kann man hier Ski laufen.

Nun orientieren wir uns nun bei aufklarendem Himmel am Rennsteig, dem Höhenweg des Thüringer Waldes. Der Weg führt über schönen, rauhen, welligen und fehlenden Asphalt nach Schwarzburg und dann weiter nach Deesbach, wo wir der angeblich steilsten Straße Deutschlands einen Besuch abstatten. Wir übernachten in Oberhof auf 815m Höhe. Hier ist es kalt und windig, denn der Ort liegt ungeschützt nach Norden, Westen und Osten auf einer Hochfläche. Im Winter ist dies ein beliebter Wintersportort. Die umliegenden Wälder und Berge machen es in den wärmeren Monaten zu einem idealen Ort für andere Freizeitaktivitäten wie Mountainbiken und Wandern, und auf den umliegenden Straßen kann man vortrefflich Motorradfahren.

Der Sonntag beginnt kalt und früh: Heute Nacht wurden die Uhren auf Winterzeit zurückgestellt, daher sind wir schon um 08:15 unterwegs. Das Thermometer zeigt 6,5 Grad. Wir verlassen den Thüringer Wald in Richtung Rhön. Hier fahren wir in den Wolken herum. Von den schönen Aussichtsplattformen aus würde man heute bei 20m Sichtweite nicht viel sehen können. Auch die Straße ist kaum zu erkennen. Später auf der Hochrhönstrasse werden wir von heftigen Windböen fast vom Motorrad geweht.

Es klart auf, als wir der Heimat näher kommen. Später wird es sogar richtig sonnig, es wird noch ein goldener Oktobertag. Wir genießen die Kurven, die die bayerischen und schwäbischen Straßenbauer für uns errichtet haben. Entlang dem Main und der Tauber führt uns der Weg nach Hause. Im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald nehme ich noch einige Abwege unter die Räder, bevor ich in den Stuttgarter Kessel zurückkehre.

Das waren schöne, spannende, abwechslungsreiche 900 Kilometer, die wir in 2,5 Tagen befahren haben. Mal sehen, wann wir wieder losfahren können!


Ein Video von der Tour:


Hier ging es lang:

Freitag: https://kurv.gr/DCLhy
Samstag: https://kurv.gr/7yfpw
Sonntag: https://kurv.gr/49Qgt

Veröffentlicht von MoTranshumance

Born to Ride - Forced to Work

2 Kommentare zu „Herbstwind – Grenzbereiche auf 2 Rädern

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